Interviews, Rezensionen und Presseberichte

 

 

Rezension von Klaus Ebner, Etcetera, Dezember 2017

 

Auf nach Wandell!

Der ungewöhnliche Titel des Buches, „0-1-0-1“, nimmt Bezug auf den eigentlichen Kern des Geschehens, auf die binäre Struktur einer Software. Umso mehr überrascht der Sprung in eine phantastische Welt, in der von Zwergen, Zauberern, Rittern und einem Orakel die Rede ist. Dennoch hat das eine mit dem anderen eine Menge zu tun.

Die in Niederösterreich geborene und heute in Linz lebende Autorin Elisabeth Strasser erzählt nämlich eine Fantasy-Story, und diese spielt sich innerhalb eines Online-Computerspiels im virtuellen Reich Wandell ab und ist vom Zutun verschiedener Anwender abhängig. Aber das Buch ist kein Fantasy-Roman per se, denn parallel wird von mehreren Personen erzählt, die im Rollenspiel Wandell geradezu versinken, von Moni und ihrem Kurzzeit-Liebhaber Oliver, der ihre Wohnung vollständig ausräumte und dann untertauchte, von Monis neuem Arbeitgeber Michael, von einer ehemaligen Literaturprofessorin und einer Autorin, aber auch von Ulrich und Konstantin, die das Wandell-Universum erfunden haben und eifrig selbst als Akteure mitmischen, wobei ihr freundschaftliches Verhältnis immer mehr zu einem Konkurrenzkampf mutiert.

Das Besondere an diesem Buch ist die Vermischung der wirklichen mit der virtuellen Welt. Alle tragenden Personen im phantastischen Wandell haben auch im Leben miteinander zu tun, wobei ihre Rollen durchaus unterschiedlich sein können. Anfänglich weiß natürlich niemand vom andern, doch das ändert sich mit der Zeit, und so ist den gespielten Gestalten in Wandell mitunter sehr bewusst, welche reale Person hinter einer bestimmten anderen Figur steckt.
»0-1-0-1« ist ein überaus kurzweiliges Buch, das Online-Spiele und Fantasy möglicherweise auf die Schippe nimmt, vor allem aber sich dieser Elemente auf eine äußerst vergnügliche Weise bedient und die Verflechtungen unterschiedlicher Lebenswege erzählt.

 

Ursprünglich zu sehen auf: 

Rezension von Klaus Ebner in „etcetera“, Zeitschrift der Literarischen Gesellschaft St. Pölten (LitGes) zu "0-1-0-1"

 

 

Buchbesprechung „Vom Leben der Kaulquappen“, Erzählungen, von Elisabeth Strasser

von Heide Stockinger, Juni 2014

 

Im Resistenzverlag veröffentlichte Elisabeth Strasser nach dem Roman „Martin und der Klang des Schnees“ nun einen Erzählband mit Geschichten, der die Leser schon nach den ersten Zeilen in den Bann zieht. Gemeinsam ist sechs der sieben Geschichten des Buchs, dass mit großem Einfühlungsvermögen die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen thematisiert wird.

 

In der titelgebenden Geschichte „Vom Leben der Kaulquappen“ breitet die Autorin verschiedene Familienszenarien vor uns aus. Die perfekte Welt der berufstätigen Mutter Barbara – der Vater Johannes ist Teil der Musterfamilie – erzeugt im Leser Unbehagen. Der elfjährige phantasiebegabte Sohn Roland imaginiert sich im Wald einen „Waldmenschen“, die sechzehnjährige Tochter hat Gewissensbisse, weil sie ihrem Freund den Laufpass gegeben hat. Barbaras Berufskollegin Sandra fühlt sich von der tüchtigen Barbara gemobbt. Durch unerklärliche Ereignisse, in die die handelnden Personen der Geschichte involviert werden, baut die Autorin Spannung auf, und die „Lösung“ kommt unerwartet, wie so oft in Strassers Vorstellungswelten.

 

In der Geschichte „Höllenbrüder“ sind die Familienkonstellationen noch verwobener. Dass Unheil hereinbrechen wird, künden dunkle Gewitterwolken am Himmel, die immer wieder das Geschehen eines Nachmittags, Abends und Morgens beeinflussen. So, als würden Götter das Schicksal einer Gruppe von Menschen besiegeln wollen. Ein Supermarkt spielt eine zentrale Rolle. Steht ein Einbruch bevor? Drei Jugendliche, deren Elternhäuser beleuchtet werden, schließen sich unter Anleitung des undurchsichtigen Sebastian zu den „Höllenbrüdern“ zusammen. Und gegen Ende der Geschichte wird ein Unschuldiger Verbrechensopfer. Auch in dieser Geschichte das Geschick der Autorin, sich in Heranwachsende hineinzuversetzen, und im Fall von Rädelsführer Sebastian deutlich zu machen, dass die unvorhersehbare Entwicklung ihrer Kinder Eltern manchmal ratlos zurücklässt.

 

„Tagestrübe“ ist eine Erzählung über Lehrer und Schüler, mit psychologischer Herangehensweise. Dem Leser eröffnen sich verschiedene Zugänge. Die Hauptfigur Thomas, ein durchsetzungsschwacher Lehrer, ist nur dann Sympathieträger, wenn man für sein oftmals vergebliches Bemühen Verständnis aufbringen kann. Rückblenden in die Kindheit der in der Geschichte auftretenden Personen geben zusätzlich Aufschlüsse. Als Thomas einmal als junger Mann „stark“ sein will, geht dies nicht gut aus. Bevor die Geschichte überraschend mit einem tragischen Vorfall endet, reißt die Autorin Themen wie „Genialität und Durchschnitt“ an. Zitat Strasser: Es kommt nicht darauf an, etwas als erster gedacht oder getan zu haben, wenn man es nur für sich selbst ehrlich als richtig empfunden und erkannt hat. In dem Sinne haben Jugendliche immer etwas von Genialität, weil sie irgendwann einmal einen Gedanken zum ersten Mal für sich entdecken, auch wenn dieser von vorangegangenen Generationen bereits gefunden worden ist.

 

Mit „Später“ ist nach Auffassung der Rezensentin Elisabeth Strasser eine besonders packende Geschichte gelungen. Die Tendenz der Autorin, mit Erwartungshaltungen ihrer Leser zu spielen, ist hier evident. Ein Fremder dringt in eine vierköpfige Familie ein, okkupiert die Couch, setzt sich wie selbstverständlich an den Tisch mit der Familie und erschleicht sich das Zutrauen des fünfjährigen Sohnes. Der Familienvater wartet darauf, erpresst zu werden … Mehr soll nicht verraten sein!

 

Der Beitrag „Fleisch“ in Strassers Buch weicht etwas von den übrigen Geschichten ab. Eine Mutter erzählt in Ich-Form von ihrer Schwangerschaft, von der Geburt einer Tochter, vom Heranwachsen des Mädchens. Als Psychogramm, sowohl der Mutter als auch der Tochter, könnte man Strassers Text bezeichnen; akribisch genau werden die Stationen der Wandlung einer halbwüchsigen Sechzehnjährigen zur Vegetarierin nachgezeichnet. Weicht das Mädchen von der Norm ab? Und warum isst sie kein Fleisch mehr? Im Zentrum stehen die Erinnerungen der Mutter an ihre Kindheit auf einem Bauernhof, an das das dortige Schlachten von Tieren im Gegensatz zur industriellen Fleischproduktion.

 

„Der Adventkalender“ ist die am raffiniertesten komponierte Geschichte des Bandes. Was haben die Bildchen der geöffneten Fernster eines Adventkalenders mit Träumen zu tun? Und was haben wiederum Träume mit der Lösung eines längst ad acta gelegten Kriminalfalles zu tun? Die Protagonisten der Erzählung – jeder für sich öffnet Fenster am Adventkalender – sind ein „böser“ Bub, und ein vereinsamter Pensionist. Die magischen Qualitäten des Adventkalenders haben kathartische Wirkung. Ein gutes Ende ist der Geschichte gewiss!

 

Bleibt noch, von der unterhaltsamen Eingangsgeschichte „Gutmenschen“ zu berichten. Zwei Sonderlinge, ein Schriftsteller und ein Philosoph, führen gelehrte Dispute, quer durch alle großen Themen der Menschheit. Der Schriftsteller, Poet des Untergangs, stellt seine Suaden ins Netz, und der Philosoph gefällt sich in relativistischer Grundeinstellung. Die kluge und zweifelnde Eva sucht Zuflucht in einer Kneipe und nimmt an der Unterhaltung der diskutierenden Männer teil, die sie zu neuen Einsichten führt.

 

 

 

Aus einem Beitrag im Mitteilungsblatt des Absolventenverbandes des Abendgymnasiums Linz (Ausgabe 2/2015, August 2015), anlässlich der Lesung  von Elisabeth Strasser mit Dietmar Koschier in der OÖ. Landesbibliothek am 21.10.2015:

 

Elisabeth Strasser möchte mit ihren Geschichten sowohl anspruchsvoll unterhalten als auch der Leserschaft Themen zur Diskussion und zum Weiterdenken vorlegen. Etwa in Martin und der Klang des Schnees wird die Leichtgläubigkeit mancher Menschen gegenüber Esoterik oder Angeboten aus dem Bereich „Lebenshilfe“ aufs Korn genommen; im Roman Die Botschaft werden Fragen nach dem Menschen- und Gottesbild, der Liebe und der Kunst im Rahmen einer spannungsreichen Geschichte aufgegriffen; im Erzählband Vom Leben der Kaulquappen treten unterschiedliche Figuren mit ihren Hoffnungen, Ängsten und Lebenswelten in Erscheinung, wobei die Möglichkeiten des Menschseins in ihren hellen und dunklen Seiten poetisch durchleuchtet werden. Auch das Surreale und Unheimliche kommt dabei nicht zu kurz. – „In der Literatur interessiert mich weniger, die Wirklichkeit abzubilden. Für eine erzählenswerte Geschichte braucht es entweder ein Geheimnis, das mehr oder weniger einer Auflösung zugeführt wird, oder jedenfalls Protagonisten, die ein außergewöhnliches Schicksal erleben, in der Weise mit einem Problem konfrontiert werden, dass es die Leser anregt, weiter über das jeweilige Thema nachzudenken.“

 

Elisabeth Strasser ist seit frühester Jugend literarisch tätig. Erst vor wenigen Jahren gelangen Veröffentlichungen, seit sie ernsthaft Texte eingereicht hat.

„Texte einzureichen, ist anfangs ein reines Glücksspiel“, sagt sie. „Ich bekam dann aber doch die Möglichkeit, in Literaturzeitschriften wie z.B. ‚Sterz’ oder ‚Lichtungen’ zu veröffentlichen oder in den ‚Facetten’, dem literarischen Jahrbuch der Stadt Linz, und in der ‚Rampe’. Ein ähnliches Glücksspiel ist es mit Einsendungen an Verlage, dabei sind natürlich vorhergehende Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften hilfreich. Dann hat es mit Buchveröffentlichung eben doch geklappt, trotzdem ist es angesichts der Masse ständig neu erscheinender Bücher äußerst schwierig, überhaupt als Autor wahrgenommen zu werden.“

 

Demnächst ist das Erscheinen eines gemeinsamen Buchprojektes mit Dietmar Koschier geplant. Gibt es dazu bereits etwas zu verraten?

Elisabeth Strasser erzählt, wie es dazu gekommen ist: „Vor einigen Jahren hat Dietmar mir einige seiner Kurztexte zukommen lassen, die mir unglaublich gut geeignet zum Interpretieren schienen. So ist eine kleine Sammlung entstanden, ein Büchlein aus Kurztexten und interpretierenden Essays.“ 

 


 

Interview mit Radio FRO,  1.  Juni 2014

 

Zum Nachhören


 

Auszüge aus einem Interview mit „Tips Kirchdorf“ vom 13.11.2013, anlässlich der Lesung in der Wartberger Bibliothek am 16.11.2013 aus dem damals neu erschienen Roman „Martin und der Klang des Schnees“:

 

Tips: Wann haben Sie die Freude am Schreiben entdeckt?

 

Elisabeth Strasser: Süchtig nach Geschichten war ich immer schon. In meiner Familie wurde viel erzählt, Märchen aber auch Kindheitserinnerungen der Eltern, mehr oder weniger außergewöhnliche Erlebnisse. Sobald ich lesen konnte, waren Bücher natürlich wichtig. Und wenn man gerade kein Buch in der Hand hat, kann man natürlich auf die Idee kommen, selbst eine Geschichte zu erfinden. In einem weiteren Schritt kommt dann die reine Freude am sprachlichen Ausdruck und an den sprachlichen und erzählerischen Möglichkeiten dazu. Richtig niedergeschrieben habe ich Geschichten und lyrische Kurztexte etwa ab 17 Jahren.

 

Tips: Wie ist der Roman entstanden?

 

Elisabeth Strasser: Wenn eine Geschichte da ist, ist sie einfach da. Konkret hat diese Geschichte so begonnen, dass die Eingangsszene, die eigentlich eine Stimmungsschilderung ist, aufgeschrieben habe, ohne daran zu denken, daraus überhaupt eine längere Erzählung entstehen zu lassen. Ein paar Monate später habe ich diesen kurzen Text wieder gelesen und überlegt, welche Person das ist, die in dieser Szene auftritt. Und aus dieser Person ist dann der ziemlich verrückte „Martin“ geworden. Auch der Titel „Klang des Schnees“ war von Anfang an klar. Der Rest war Schreibfluss – es entwickelte sich ein Eigenleben der Figuren. Ich war selbst überrascht was dazwischen passiert ist.

 

Tips: Zum Inhalt: Um was geht es in dem Buch bzw. wie beschreiben sie die Hauptfigur Martin?

 

Martin geht ein wenig orientierungslos durch die Welt, auf der Suche nach etwas Unbestimmtem, das er durch Begegnungen, Seminare oder Therapien zu finden sucht. Sein Weg führt durch komische, tragische und tragikomische Begebenheiten, bis zur Auflösung der Grenze zwischen Realität und Möglichkeit. Martin ist ein durch und durch verunsicherter Mensch, jedoch an sich sehr begabt, offen und neugierig. Die Kehrseite davon ist aber, dass er sich leicht etwas einreden lässt. Er ist leicht zu begeistern und nimmt Angebote aus Seminaren, Therapien, Ratgeber oder auch der Esoterik an. Sobald er merkt, dass die „Ratschläge“ ihn nicht weiterbringen, gibt er es wieder auf. Wir können den Protagonisten begleiten, über ihn schmunzeln, ihn bemitleiden oder über ihn lachen und ihm bis in seine Verunsicherungen folgen. Es bleibt letztlich uns überlassen, was wir an seiner Geschichte für wahr halten und was nicht.

 

Tips: Was wollen Sie mit der Geschichte beim Leser erreichen?

 

Elisabeth Strasser: Zunächst will ich mit dem Roman unterhalten, auf eine Weise, in der die Leser aufgefordert sind, über die Themen nachzudenken und sich damit zu beschäftigen. Meine Zielgruppe sind also alle, die sich anspruchsvoll unterhalten lassen. Die Geschichte will auch durchaus verunsichern. Denn es geht um die Frage der Wirklichkeit: Was ist Wirklichkeit? Ist die reale Wirklichkeit wirklich so bedeutsam? Oder ist anderes, das zwar nicht geschehen, sondern nur als Möglichkeit überlegt worden ist, nicht genauso wirklich und hat das nicht vielleicht manchmal sogar mehr Bedeutung? Das ist gleichzeitig auch der ernsthafte Aspekt dahinter. Als satirischen Aspekt wird die Seminar- und Therapiegläubigkeit aufs Korn genommen.